Bezieht eine Person mit steuerlicher Ansässigkeit in Frankreich Kapitalien aus der zweiten Säule des schweizerischen Vorsorgesystems (z.B. Pensionskassengelder, Freizügigkeitsguthaben, etc.), dann unterliegt die Kapitalleistung der französischen Besteuerung, sofern es sich um eine privatrechtliche Vorsorgeleistung handelt (Artikel 20 des Doppelbesteuerungsabkommens Schweiz-Frankreich). Anderes gilt für Schweizer Staatsbürger, wenn die Auszahlung auf einem (letzten) Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitgeber mit öffentlich-rechtlicher Stellung beruht: Dann greift Artikel 21 des DBA CH-FR, welches das Besteuerungsrecht dem Quellenstaat, also der Schweiz, zuweist.
Wie bei allen schweizerischen BVG-Kapitalleistungen, die von Steuerausländern erwirkt werden, fällt zunächst im Kanton des Sitzes der schweizerischen Vorsorgeeinrichtung eine je nach Guthaben und Kanton unterschiedlich hohe Quellensteuer an. Bei „privatrechtlichen Kapitalleistungen“ kann diese Quellensteuer innerhalb von drei Jahren ab Bezug zur Rückerstattung kommen, sofern der Steuerpflichtige den Nachweis erbringt, dass die Kapitalleistung in Frankreich versteuert wurde. Bei Vorsorgeleistungen in Kapitalform aus früheren (letzten) öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnissen können Franzosen und Staatsangehörige ohne CH/F-Nationalität die Quellensteuer ebenfalls zurückfordern, während Schweizer und CH/F-Doppelbürger dies aufgrund der DBA-Bestimmungen nicht dürfen.
Wie aber besteuert Frankreich eine privatrechtliche Kapitalauszahlung? Leider lässt sich diese Frage nicht einfach beantworten, denn der französische Fiskus hat auch für diese Besteuerung diverse Komplexitäten eingebaut. Grundsätzlich sind drei Besteuerungsvarianten auszumachen:
Variante 1: Bei der ordentlichen Einkommensbesteuerung wird die Auszahlung gemeinsam mit dem übrigen steuerbaren Einkommen der Steuerperiode (also nach der Berücksichtigung von Abzügen und Erleichterungen) belastet, zu Steuersätzen zwischen 0 und 45%. Bereits ab mittleren Guthaben ergeben sich so drakonische Steuersummen. Indes, das französische Steuerrecht federt diese Härte unter gewissen Voraussetzungen über Besteuerungsalternativen (Varianten 2 und 3) ab.
Variante 2: Besteuerung der Auszahlung auf Antrag unter dem sog. „revenu exceptionel au quotient“, zusammen mit dem übrigen Einkommen. Diese Option kann gegenüber einer vollen ordentlichen Belastung etwas Entlastung bringen. Wir benennen sie als Viertelregelung, analog zur bekannten deutschen Fünftelregelung. Zur Anwendung der Viertelregelung wird zunächst die während einer Steuerperiode aufgrund des steuerbaren Einkommens anfallende Einkommensteuer berechnet. In einem zweiten Schritt wird diese Berechnung wiederholt, wobei bei der Bemessungsgrundlage ein Viertel der CH-Kapitalauszahlung addiert wird. Das Resultat dieser Kalkulation ergibt eine höhere Steuer, von der dann die Steuer der ersten Berechnung wieder abgezogen wird. Letzteres Ergebnis wird dann zur Ermittlung der effektiven Steuerlast auf die CH-Kapitalauszahlung wieder mal vier multipliert. Im Internet finden sich entsprechende Zahlenbeispiele und Rechner. An dieser Stelle sei erwähnt, dass sich diese Besteuerungsvariante tendenziell (und nur unter Umständen) bei kleineren BVG-Guthaben, geringem oder gar keinem übrigen Einkommen oder bei Steuerhaushalten mit vielen „parts“ (z.B. kinderreiche Familien) lohnen könnte. Bei hohen steuerbaren Einkommen oder hohen Kapitalbezügen bringt die Regelung i.d.R. eher marginale Entlastungen. Diese Option kommt auf Antrag auch dann zur Anwendung, wenn die Voraussetzung zur Vorzugsbesteuerung nach Variante 3 verletzt werden.
Variante 3: Besteuerung der Auszahlung auf Antrag via „Prélèvement forfetaire liberatoire“ zum Einheitssatz von 7,5% (wobei die Auszahlung einen Abschlag von 10% erfährt, so dass die effektive Steuerlast alsdann 6,75% beträgt), separat vom übrigen Einkommen, also ohne Abzugsmöglichkeit von eventuell zu leistenden Sozialabgaben. Diese Option setzt voraus, dass die Beiträge in der Ansammlungsphase abzugsfähig waren und dass keine Kapitalbezugsfraktionierung (Auszahlung en bloc, also z.B. kein nichtseparater Bezug von Obligatorium und Überobligatorium oder keine weiteren Teilbezüge) erfolgt. Einzig der Bezug zur Finanzierung von französischem Wohneigentum wird nicht als Fraktionierung angesehen und kann somit auf Antrag mit 7,5% bzw. netto 6,75% versteuert werden.
Eine Steuerendbelastung von 6,75% scheint insgesamt durchaus attraktiv zu sein. Allerdings sind leider überdies auch die sog. Sozialabgaben (prélèvemts sociaux), welche in Frankreich auf diverse Einkommen anfallen, zu berücksichtigen. So z.B. der allgemeine Sozialbeitrag CSG (contribution sociale généralisé – Beitragssätze für Ruhegehälter in Abhängigkeit des zu versteuernden Einkommens „revenu fiscal de reference RFR“ zu Sätzen von 0%, 3,8%, 6,6% oder 8,3%), der Beitrag zum Abbau der Sozialversicherungsschulden CRDS (contribution pour le remboursement de la dette sociale – Satz 0,5%) sowie CASA (contribution additionnelle de solidarité pour l’autonomie, 0,3%, nur anfallend falls der CSG-Satz 6,6% oder 8,3% beträgt). Alles Beiträge, die sich zum allgemeinen Solidaritätszuschlag („prélèvement de solidarité“ – Satz 7,5%) gesellen.
Diese Abgaben fallen auf schweizerische Ruhegehälter und BVG-Kapitalauszahlungen aber nur dann an, wenn Sozialversicherungspflicht bzw. insbesondere eine staatliche Krankenversicherungsdeckung in Frankreich besteht. Liegen diese Pflichten/Deckungen dagegen in der Schweiz oder in anderen EU/EFTA-Ländern, dann entfallen CSG, CRDS und CASA. Der erwähnte Solidaritätszuschlag verbleibt dagegen als Belastung.
Eine Schweizer Krankenversicherungspflicht für Personen mit Wohnsitz in Frankreich besteht etwa für CH-Rentner (Bezug einer schweizerischen Rente oder BVG-Kapitalbezug ab Alter 58), die keine französische Rente erhalten, in ihrer Karriere in EU/EFTA-Gefilden am längsten in der Schweiz sozialversichert waren und das sog. Optionsrecht nicht ausgeübt haben. Analoges gilt für Grenzgänger, die sich nicht für die allgemeine französische Krankenversicherungsunterstellung entschieden haben. Ebenfalls haben etwa Entsandte oder gewisse Mehrfachtätige (Unterstellung in der Schweiz gemäss Formular A1) eine helvetische Krankenversicherungspflicht.
Es mutet etwas seltsam an, dass die Wahl der Krankenversicherungsunterstellung, sofern vorhanden, massive und evtl. langjährige Konsequenzen auf künftige Abgabenlasten haben kann. CSF/CDRS und CASA können z.B. auch, teils steuerlich abzugsfähig, auf Kapitalgewinne, Dividenden, Zinsen, Mieteinnahmen, etc. anfallen. Fehlentscheidungen können daher richtig ins Geld gehen.
CH-Rentner, CH-Frühpensionierte, Privatiers, angehende Grenzgänger oder Mehrfachtätige sollten sich vor dem Wegzug nach Frankreich eingehend mit dieser Thematik auseinandersetzen und Optimierungsmöglichkeiten entsprechend nutzen.