Immer mehr Personen, die ihren Wohnsitz ins Ausland verlegen oder als Digitale Nomaden reisen, bleiben nach ihrem Wegzug noch partiell oder voll für Arbeitgeber ihrer Wegzugsdestination tätig. Unsere Auswandererberatung hat in den letzten Jahren diesbezüglich einen massiven Anstieg von grenzüberschreitenden „remote“ oder home-office-Arbeitsbeziehungen feststellen können. Hierzu bietet das Hochlohnland Schweiz Personen, die etwa aus privaten Gründen (Familie im Ausland, Tapetenwechsel, etc.) auswandern, etliche Opportunitäten. Zuweilen begründen aber auch steuerlicher oder sozialversicherungsrechtliche Optimierungsüberlegungen die grenzüberschreitende Heimarbeit. Überdies erhöht sich die Bereitschaft von kleineren oder mittelgrossen Unternehmen, solche Arbeitsbeziehungen – auch aus Kostenreduktionsgründen (tiefere Gehälter, eventuell wegfallende Abgabepflichten) – zu akzeptieren, laufend. Propens sind insbesondere die IT-Branche (bzw. Unternehmungen, die Informatiker beschäftigen) sowie generell Startups. Betreut haben wir aber u.a. auch schon Übersetzer, Architekten, Maschinenzeichner, Buchhalter, Publizisten, Designer und gar einige Unternehmer, die ihre helvetischen Firmen vollends vom Ausland aus leiten. Im Wesentlichen funktioniert die Auslandsarbeit bei Tätigkeiten, die ortunabhängig via Computer und Internet verrichtet werden können. Der Fortschritt der Informationsverarbeitungs- und Telekommunikationstechniken erweitert das Spektrum der Möglichkeiten fortwährend, auch in geografischer Hinsicht.
Die internationale „remote“-Arbeit mag heute technisch einfach umsetzbar sein, doch darf dabei nicht übersehen werden, dass sich dadurch etliche neuen Rechtsfragen eröffnen, die mitunter Arbeitsrecht, Datenschutzbestimmungen, Haftungsfragen, Ausländergesetze (so ist in vielen Ländern selbst für home-office-Arbeit eine Aufenthalts- und/oder Arbeitsbewilligung vonnöten) und selbstverständlich Sozialversicherungs- und Steuerrecht betreffen. Eine gebührende Auseinandersetzung mit diesen Thematiken drängt sich auf, um irreguläre Arbeitsgestaltungen zu vermeiden, die erhebliche Risiken für den Arbeitnehmer und speziell für das beschäftigende Unternehmen begründen könnten.
Begrenzt auf die Aspekte Sozialversicherungen und Steuern seine nachfolgend einige Aspekte hinsichtlich der grenzüberschreitenden remote-Arbeit für Schweizer Arbeitgeber vertieft. Komplex und fallenreich können die sozialversicherungsseitigen Implikationen ausfallen. Zu berücksichtigen sind insbesondere die schweizerischen Sozialversicherungsabkommen. Unterschiedliche Regulierungen bestehen für die Arbeitsstandorte EU und EFTA (fast analoge Regeln wie für den EU-Raum, indes mit einigen Einschränkungen), für Länder, mit denen die Schweiz ein Sozialversicherungsabkommen führt und für solche ohne Sozialversicherungsabkommen.
Für remote-Arbeit im EU/EFTA-Raum sind auch für Schweizer Arbeitgeber die Bestimmungen der EU-Verordnungen 883/2004 und 987/2009, welche betreffend EU/EFTA/CH-Staatsangehörigen für eine Koordination der nationalen Sozialversicherungssysteme sorgen, massgebend. Kernpunkte sind hierbei das sog. Erwerbsortprinzip und der Grundsatz der sozialversicherungsrechtlichen Unterstellung in einem einzigen Mitgliedsstaat. Entscheidend ist, wo und in welchen zeitlichen Dauern und Kadenzen physisch gearbeitet wird. Arbeitnehmer, die mindestens 25% ihres Pensums am Wohnsitz (z.B. D) tätig sind (bei remote-Beziehungen der Regelfall), werden dort sozialversicherungspflichtig. Arbeiten sie in weiteren EU-Ländern (z.B. auch am Ferienort in Spanien), dann entstehen die Sozialversicherungspflichten dort, wo überwiegend gewirkt wird (in Spanien falls länger als in D tätig). Denkbar wäre überdies, dass der Arbeitgeber nie am Wohnsitz (D) remote arbeitet, sondern ausschliesslich an Feriendomizilen (z.B. Spanien und Italien). In dieser Konstellation fallen die Versicherungspflichten in der Schweiz an, wo der Arbeitgeber seinen Sitz hat. Die home-office-Tätigkeit könnte eventuell auch auf selbständiger Basis am Wohnsitz (D) erfolgen und daneben ein nicht marginales Pensum (mindestens 5%) im Angestelltenverhältnis am Sitz der Unternehmung (CH) bestritten werden oder eine CH-Verwaltungsratsposition (die CH-seitig selbst bei geringem Zeitaufwand immer eine unselbständige Erwerbstätigkeit begründet) besetzt werden. In diesem Falle entstünde die Abgabepflicht (für sämtliche Arbeitseinkommen) ausschliesslich am Orte des unselbständigen Erwerbs (CH) entstünde, denn die unselbständige Erwerbstätigkeit geht der selbständigen Arbeit gemäss EU-Direktive immer vor. Die jeweiligen Stellungen müssen von den betroffenen Sozialversicherungsanstalten attestiert werden, was über das sog. Formular A1 erfolgt. Dieses Formular müsste bei jeder zusätzlichen Tätigkeit (z.B. Arbeitnehmer mit Wohnsitz D, der remote für CH-Arbeitgeber tätig ist und sporadisch in seinem Urlaubsheim in Spanien arbeitet). Bei ausländischer Sozialversicherungspflicht haben die CH-Arbeitgeber sämtliche Abgaben gemäss nationaler Gesetzgebung im Unterstellungsland zu leisten. Diese Obliegenheit kann aber auch an den remote-Arbeitnehmer delegiert werden.
Etwas einfacher ist die sozialversicherungsrechtliche Dislozierung in Länder ausserhalb des EU/EFTA-Raumes. Einen Bestimmungsrahmen setzen bilaterale Sozialversicherungsabkommen (die wichtigsten betreffen die USA, Australien, Kanada, Japan, China, Indien, Chile, Ex-Jugoslawien-Länder, Philippinen, Thailand), die unterschiedlich umfassend sind (z.B. Beschränkung des Geltungsbereiches auf einige Sozialversicherungszweige, Nationalitätserfordernisse, Splitting-Ansätze). Zumeist gilt auch nach diesen im Vergleich zu den EU-Regelungen eher rudimentär ausgestalteten zwischenstaatlichen Verträgen das Erwerbsortsprinzip.
Für diese und alle übrigen Länder ist für remote-Arbeitsbeziehungen auch eine Weiterführung der helvetischen Sozialversicherungspflichten möglich, sofern der Arbeitgeber zuvor in der Schweiz mindestens fünf Jahre AHV-versichert war (was eventuell zu doppelten Unterstellungen führen kann). Personen, die ex Schweiz remote arbeiten gehen, haben überdies die potentielle Möglichkeit einer Entsendung, deren Bedingungen (z.B. zeitliche Befristungen) sich nach den jeweiligen Abkommen richten. Unter Umständen können Entsendungen ins EU/EFTA-Gebiet selbst für reine remote-Erwerbe erwirkt werden, auch wenn im Zuzugsland kein verbundenes Unternehmen des Entsendenden besteht oder dort keine neue Betriebstätte errichtet wird.
Arbeitgeber und angehende „remote“-Arbeitnehmer sollten insbesondere für EU/EFTA-Destinationen Pflichten und Gestaltungsoptionen reflektiert berücksichtigen. Für übrige Länder sind dagegen die Möglichkeiten zur Weiterführung der CH-Deckung privatrechtlich erhältlichen Absicherungsmöglichkeiten gegenüberzustellen, so bezüglich der Deckungskontinuität, der Kosten, Leistungen und Abwicklungsmodalitäten.
Den steuerrechtlichen Rahmen der grenzüberscheitenden „remote“-Arbeit setzen die Steuergesetze der Arbeitgeberlandes, die Bestimmungen am Wohnsitz des Arbeitgebers und die entsprechenden Doppelbesteuerungsabkommen. Gemäss den meisten DBA wird ein „remote“ entrichtetes CH-Salär dort besteuert, wo die Arbeit physisch verrichtet wird (häufige Ausnahme: «Monteurklausel»). Bei grenzüberschreitender Mehrfachtätigkeit erfolgen i.d.R. separate Belastungen (in der Schweiz bei Unselbständigen stets via Quellensteuer), Doppelbesteuerungen werden daraufhin entweder im Anrechnungs- oder im Freistellungsverfahren (letzteres zumeist mit Progressionsvorbehalt) vermeiden.
Besonderes Augenmerk ist bei ausländischen Home-Offices darauf zu legen, ob diese eine sog. Betriebstätte, die eine eigenständige Unternehmenssteuerpflicht nach sich ziehen kann, begründet. Die Regelungen hierzu finden sich in den jeweiligen nationalen Steuerrechten und, sofern vorhanden, in den übergeordneten Doppelbesteuerungsabkommen. Viele Länder übernehmen für DBA-Zwecke die Betriebstätten-Definition nach OECD-Musterabkommen. Demnach gilt als Betriebsstätte eine feste Geschäftseinrichtung, in der die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ganz oder partiell ausgeübt wird, streng genommen jedes Homeoffice. Die OECD will indes via Kommentierungen zum Musterabkommen dieser zunehmend populären grenzüberschreitenden Arbeitsform Rechnung tragen und die Barrieren zur Annahme einer Betriebstätte etwas niedriger stellen. So sollen insbesondere untergeordnete oder unterstützende Tätigkeiten im Home-Office keine Betriebstätte begründen. Das Gegenteil gilt hingegen, wenn lokal Kunden betreut werden oder wenn der Beschäftigte „remote“ ausgelagert wird, weil das Unternehmen ihm keinen eigenen Arbeitsplatz zur Verfügung stellen kann.
Schweizer Arbeitgeber und wegziehende Arbeitnehmer bzw. CH-Auftraggeber und künftig vom Ausland aus agierende Auftragnehmer sind gut beraten, ihr Setup in allen Nuance zu kennen und Implikationen und Handlungszwänge gegenwärtig zu halten. Kein Fall ist gleich, überdies in vielen Ausgangslagen unterschiedliche Gestaltungsoptionen. Wegweisende Klärung bringt vorerst ein Orientierungsgespräch mit unseren Beratern.