Hinsichtlich der Besteuerung des Bezuges von helvetischen Vorsorgegeldern bei österreichischem Wohnsitz fügen wir nachfolgend drei Urteile an, welche die entsprechende österreichische Regelungen aufzeigen. EMIGRATION NOW kann anlässlich der Orientierungsgespräche individuell die praktischen Folgen verdeutlichen und im Beratungsrahmen die anfallenden Steuerlasten errechnen.
Berufungsentscheidung – Steuer (Referent) UFSF, GZ RV/0120-F/05 vom 23.06.2006
Ist die Besteuerung einer Pensionsabfindung aus der schweizerischen beruflichen Altersversorgung (2. Säule) mit dem im FZA festgelegten Grundsatz der Arbeitnehmerfreizügigkeit vereinbar?
Berufungsentscheidung
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des AB, vom 17. Februar 2005 gegen den Bescheid des Finanzamtes Bregenz vom 19. Jänner 2005 betreffend Einkommensteuer 2003 entschieden:
- Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
- Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Der Berufungsführer (in der Folge Bf genannt) nahm 1987 eine Grenzgängertätigkeit auf. Per 30.6.2002, ca. vier Monate nach Vollendung des 60. Lebensjahres, endete sein Dienstverhältnis zum Schweizer Arbeitgeber (Lohnausweis vom 14.2.2003). Mit diesem Tag endete auch seine obligatorische Krankenpflegeversicherung bei der CSS. Am 5.7.2002 wurde sein Guthaben bei der Personalfürsorgestiftung seines ehemaligen Arbeitgebers an die Rentenanstalt S überwiesen, wo der Betrag als Einmaleinlage für den Abschluss einer Freizügigkeitspolice verwendet wurde. Nach Abgabe der Erklärung, die Schweiz endgültig zu verlassen, überwies die Rentenanstalt dem Bf am 6.1.2003 die ihm zustehenden Leistungen aus der Freizügigkeitspolice abzüglich der Quellensteuer (127.673,90 CHF). Deren Rückerstattung beantragte der Bf in weiterer Folge mit Erfolg.
Vom 1.7. bis 19.11.2002 war der Bf auf Arbeitssuche und bezog Arbeitslosengeld. Bis 30.11.2002 war er dann in der Gastronomie teilzeitbeschäftigt. Vom 20.11. bis 31.11.2002 bezog er Transferleistungen von der VGKK. Über Vorhalt des Finanzamtes gab der Bf hinsichtlich des Streitjahres bekannt, Arbeitslosen- und Krankengeld sowie Einkünfte aus einer geringfügigen Beschäftigung zu beziehen. Seit dem 1.9. des Streitjahres bezieht er eine Pension von der Pensionssicherungsanstalt, nachdem er per Mai 2003 einen Pensionsantrag gestellt hat.
Strittig ist, wie die Barauszahlung der sogenannten Austrittsleistung zu versteuern ist. Diesbezüglich wird auf die im vorausgegangenen Verfahren betreffend Vorauszahlungen an Einkommensteuer ergangene Berufungsentscheidung vom 4.6.2003, GZ. RV/0121-F/03, verwiesen. Zusammengefasst gelangte die Rechtsmittelbehörde in der zitierten Entscheidung zur (die Abgabenbehörde I. Instanz bestätigenden) Überzeugung, dass die Barauszahlung der schweizerischen Rentenanstalt, welche der Bf auf Antrag unter Abgabe der Erklärung, die Schweiz endgültig zu verlassen, erhalten hat, als Pensionsabfindung im Sinne von § 124b Z 53 letzter Satz EStG einzustufen und (nur) zu einem Drittel steuerfrei zu belassen ist. Diese Rechtsauffassung vertrat das Finanzamt auch im gegenständlichen Verfahren.
Wie schon im Berufungsverfahren betreffend Einkommensteuervorauszahlungen ist der Bf auch im gegenständlichen Verfahren der Auffassung, die Barauszahlung falle unter § 67 Abs. 4 EStG 1988 und sei entsprechend (noch) günstiger zu besteuern. Im Vorlageantrag vom 16.6.2005 brachte der Bw weitere Argumente für seinen Standpunkt vor. Insbesondere führte er aus, er habe nachweislich die Schweiz Ende Juni 2003 (gemeint ist wohl 2002) verlassen. Zu diesem Zeitpunkt sei aber das Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedsstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen, BGBl. III Nr. 133/2002, in der Folge FZA) bereits in Geltung gestanden. Mit diesem Abkommen werde das Ziel gleicher Lebens-, Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen verfolgt und entsprechende Diskriminierungen untersagt. Das Abkommen erlaube es daher nicht, eine nach innerstaatlichem Recht erfolgte Pensionsabfindung anders als eine nach schweizerischem Recht erfolgte zu behandeln. Auch die Pensionsablöse/-abfindung stelle ein legitimes Mittel der Altersvorsorge dar. Im Sinne des Diskriminierungsverbotes verstoße der Standpunkt des Finanzamtes gegen Abkommensrecht. Zudem sei die vorgenommene Differenzierung gleichheitswidrig.
Mit Schriftsatz vom 8.5.2006 ergänzte der Bf seinen Standpunkt sinngemäß wie folgt: Den Abkommensbestimmungen über die Nichtdiskriminierung und die Gleichbehandlung hinsichtlich der Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit komme unmittelbare Wirkung zu. Die einschlägige österreichische Gesetzgebung zum Einkommensteuerrecht sei deshalb daran zu messen, inwieweit sie nicht diskriminierend ist und den gleichen Zugang zu den Leistungssystemen der sozialen Sicherheit gewährt. In diesem Sinne trage § 67 Abs. 11 EStG den sich aus dem Freizügigkeitsabkommen ergebenden Verpflichtungen unzureichend Rechnung, indem er Begünstigungsbestimmungen lediglich zum Teil auch bei Grenzgängern für anwendbar erkläre. Was die Diskriminierungsfrage betreffe, so sei mit Hinweis auf die Judikatur des EuGH (26.1.1999, Rs C-18/95) in Erinnerung zu rufen, dass auch mittelbare Diskriminierungen, die zu einer Beschränkung der Grundfreiheiten führen, verpönt seien.
Auch dürfe nicht übersehen werden, dass sich der Begriff der „Abfertigung“ gewandelt habe. Mit dem neuen System werde dem Vorsorgegedanken weitgehend Rechnung getragen. Es sei unzweifelhaft, dass sich das vom österreichischen Gesetzgeber neu eingeführte System sehr wesentlich am Gedanken einer zweiten Säule im Pensionsversicherungssystem orientiere. Unter diesem Gesichtpunkt erweise sich seine steuerliche Behandlung durch die Abgabenbehörden eindeutig als Schlechterstellung. Er werde „als Dienstnehmer einer im Ergebnis sehr viel höheren Besteuerung unterworfen als ein Dienstnehmer, der in Österreich einer Berufstätigkeit nachgeht und zu dessen Gunsten vom Dienstgeber in das System der Abfertigung neu eingezahlt wird“. Da das Freizügigkeitsabkommen mit 1.6.2002 in Wirksamkeit getreten sei, hätte darauf bei Erlassung des angefochtenen Bescheides Rücksicht genommen werden müssen. Indem er die Einmal-Auszahlung zur Tilgung von Schulden verwendet habe, die auf seinem Wohnhaus lasteten, habe er dem Vorsorgegedanken entsprechend gehandelt. Die Besteuerung hätte sich deshalb an der Regelung des § 67 Abs. 3 und 4 EStG orientieren müssen. Mit § 124b Z 53 letzter Satz EStG sei verhindert worden, dass Pensionsabfindungen aufgrund ausländischer Regelungen, bei denen eine Übertragung des abzufindenden Barwertes in eine inländische Pensionskasse nicht möglich ist, zur Gänze tarifmäßig zu versteuern sind. Eine dem Diskriminierungsverbot entsprechende ausreichende Gleichstellung sei damit aber nicht erfolgt.
Der Referent hat erwogen:
Anwendbarkeit und Inhalt des Freizügigkeitsabkommens
Dem Bf wird zunächst zugestimmt, dass das Freizügigkeitsabkommen unmittelbar anwendbar ist (vergleichbar mit der Anwendbarkeit des EWR-Abkommens, SWI 7/1999, 300; VWGH 3.8.2000, 98/15/0202). Aus den Abkommensregelungen ergibt sich, dass die Personenfreizügigkeit , wie sie nach den in der Europäischen Gemeinschaft geltenden Bestimmungen verwirklicht ist, (im wesentlichen) auch gegenüber der Schweiz hergestellt ist (UFS 24.5.2006, RV/0028-F/06; Ecolex 2006, 348).
Unterschiede zu den gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeitsregelungen ergeben sich in dreierlei Hinsicht, sind im Berufungsfall – wie sich zeigen wird – freilich ohne Bedeutung, werden aber der Vollständigkeit halber nachfolgend aufgezählt: Zum Ersten ist zu bedenken, dass nach Art. 16 FZA (nur) die vor der Unterzeichnung des FZA ergangene gemeinschaftsrechtliche Rechtsprechung zu berücksichtigen ist. Zum zweiten ist zu beachten, dass der im FZA enthaltene Auftrag zur Berücksichtigung des Gemeinschaftsrechtes nach seiner Zweckrichtung die Gleichwertigkeit der auszulegenden Vorschriften voraussetzt (Ecolex 2006, 349). Und zum Dritten muss berücksichtigt werden, dass Art. 21 Abs. 2 FZA eine im Gemeinschaftsrecht fehlende Vorschrift enthält, wonach keine Abkommensbestimmung so auszulegen ist, „dass sie die Vertragsparteien daran hindert, bei der Anwendung ihrer Steuervorschriften eine Unterscheidung zwischen Steuerpflichtigen zu machen, die sich – insbesondere hinsichtlich ihres Wohnsitzes – nicht in vergleichbaren Situationen befinden.“ Die zuletzt wiedergegebene Regelung wird wohl so auszulegen sein, dass der im Urteil des EuGH vom 14.2.1995, Rs C-279/93, Schumacker, formulierte Grundsatz (wonach die ertragsteuerliche Nichtberücksichtigung der persönlichen und familiären Situation im Beschäftigungsstaat in der Regel eine nicht diskriminierende Folge dessen ist, dass sich Gebietsansässige und Gebietsfremde nicht in vergleichbaren Situationen befinden) im Anwendungsbereich des FZA gleichsam ohne Ausnahmen gilt. Ist diese Interpretation zutreffend, stellte es generell keine Diskriminierung dar, wenn ein Vertragsstaat Gebietsfremden bestimmte, die persönlichen Verhältnisse berücksichtigende Steuervergünstigungen versagt, die er Gebietsansässigen gewährt.
Dem Bf ist weiters grundsätzlich zuzustimmen, dass der EuGH das Diskriminierungsverbot auch als steuerlich zu beachtendes Beschränkungsverbot interpretiert. Danach sollen sämtliche Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit den Gemeinschaftsangehörigen die Ausübung jeder Art von Berufstätigkeit im gesamten Gebiet der Gemeinschaft erleichtern. Dem stünden Maßnahmen entgegen, die die Gemeinschaftsangehörigen benachteiligen könnten, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben wollen. Vorschriften, auch steuerlicher Art, die einen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates daran hindern oder davon abhalten, sein Herkunftsland zu verlassen, um von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, stellen daher eine Beschränkung dieser Freiheit dar, auch wenn sie unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betroffenen Arbeitnehmer Anwendung finden. Auch wenn die Bestimmungen über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer nach ihrem Wortlaut insbesondere die Inländerbehandlung im Aufnahmestaat sichern sollen, verbieten sie es doch auch, dass der Herkunftsstaat die freie Annahme und Ausübung einer Beschäftigung durch einen seiner Staatsangehörigen in einem anderen Staat behindert (15.12. 1995, Rs C-415/93, Bosman). Da die Rechtsprechung des EuGH zum Beschränkungsverbot bereits zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Freizügigkeitsabkommens bestanden hat, war diese gemäß Art. 16 Abs. 2 FZA auch bei der Interpretation der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach dem Freizügigkeitsabkommens zu beachten. Dass dieses Beschränkungsverbot im Freizügigkeitsabkommen nur hinsichtlich der Dienstleistungsfreiheit (Art. 17a Anhang I FZA) ausdrücklich enthalten ist, schadet dem nicht, da auch der EGV das Beschränkungsverbot im Zusammenhang mit der Dienstleistungsfreiheit ausdrücklich erwähnt und hinsichtlich der Arbeitnehmerfreizügigkeit lediglich ein Diskriminierungsverbot enthält (vgl. UFS 24.5.2006, RV/0028-F/06).
Bezogen auf die Problematik des Berufungsfalles schließt sich der Referent der Rechtsauffassung an, die die Kommission in ihrer reichlich durch Judikate des EuGH untermauerte Mitteilung vom 19.4.2001 betreffend die Beseitigung der steuerlichen Hemmnisse für die grenzüberschreitende betriebliche Altersversorgung (CELEX Nr. 52001DC0214) vertreten hat. Diese Mitteilung befasst sich u.a. mit der Suche nach einem koordinierten Ansatz, der der Vielfalt der Regelungen der Mitgliedstaaten angemessen ist, und der Beseitigung unnötig restriktiver oder diskriminierender Steuervorschriften. Dabei vertrat die Kommission folgenden sinngemäß wiedergegebenen, auch vom Referenten geteilten und im Berufungsfall für anwendbar erachteten Standpunkt:
Bei der Altersversorgung in den Mitgliedstaaten sind drei Hauptkategorien zu unterscheiden: Gesetzliche Sozialversicherung (erste Säule), betriebliche Altersversorgung (zweite Säule) und individuelle Altersversorgung (dritte Säule). Die Besteuerung der Altersversorgung ist gemeinschaftsrechtlich nicht spezifisch geregelt. Die Besteuerung der betrieblichen Altersversorgung, um die es auch im Berufungsfall geht, kann an drei Punkten ansetzen, nämlich an den Beiträgen, den Erträgen aus Anlagen und an den ausgezahlten Leistungen. In den meisten Mitgliedstaaten gilt das so genannte EET-System (Beiträge und Anlageerträge sowie Veräußerungsgewinne der betreffenden Einrichtungen steuerfrei, Leistungen steuerpflichtig). So wie nach Auffassung der Kommission der EG-Vertrag die Mitgliedstaaten verpflichtet, so verpflichtet nach Überzeugung des Referenten das FZA die Abkommensstaaten zur Aufhebung bzw Nichtanwendung jeglicher diskriminierender Vorschriften. Der EugH, dessen Judikatur – wie bereits erwähnt wurde – auch im gegebenen Zusammenhang von Bedeutung ist, hat zahlreiche Vorbringen der Mitgliedstaaten zur Rechtfertigung der Einschränkungen zurückgewiesen. So stehen weder das Fehlen einer Harmonisierung noch das Drohen von Steuerausfällen und auch nicht Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Informationen stichhaltige Gründe für eine Beschränkung der Grundfreiheiten dar. Daher stellen innerstaatliche Vorschriften, die eine Gleichbehandlung von Versorgungssystemen, die von einer Einrichtung mit Sitz in einem anderen Mitglied- bzw Abkommensstaat betrieben werden, nicht zulassen, eine Verletzung des EG-Vertrags bzw. FZA dar. Die Mitglied- bzw Abkommensstaaten müssen dafür sorgen, dass in Bezug auf Versorgungseinrichtungen mit Sitz im Inland und solche mit Sitz in einem anderen Mitglied- bzw Abkommensstaat dieselben Steuerabzugsmöglichkeiten gelten. Die Gleichbehandlung muss aber auch in Bezug auf etwaige Kapitalertragsteuern und, was im Berufungsfall von Bedeutung ist, die Besteuerung von Leistungen gelten.
Dem Bf ist somit grundsätzlich einzuräumen, dass seine Pensionsabfindung nicht anders besteuert werden darf als eine damit vergleichbare inländische Leistung.
Diskriminierung (Vergleichsmaßstab) Grundsätzliches
Vorweg ist klarzustellen, dass Ungleichbehandlungen, die sich aus der mangelnden Harmonisierung der innerstaatlichen Vorschriften zweier Abkommensstaaten ergeben, außerhalb des Anwendungsbereiches von EG-Vertrag und auch des FZA stehen (vgl. EuGH 12.5.1998, C-336/96, Gilly; Schuch in Gassner/Lang/Lechner, Doppelbesteuerungsabkommen und EU-Recht, 130 ff). Ohne Aussicht auf Erfolg wäre somit ein Begehren, das im Berufungsfall auf die Anwendung des Schweizer Steuersatzes gerichtet wäre.
Eine Diskriminierung könnte allerdings darin bestehen, dass unterschiedliche Vorschriften auf vergleichbare Situationen angewendet werden oder dass dieselbe Vorschrift auf unterschiedliche Situationen angewendet wird (VwGH 3.8.2000, 98/15/0202; SWI 1/2001, 47).
In diesem Sinne wird § 67 Abs. 11 vom Referenten als potenziell diskriminierend eingestuft. Diese Bestimmung dient (vordergründig) vor allem dazu, Grenzgängern (und Arbeitnehmer diplomatischer Vertretungen) bestimmte Begünstigungsregelungen im Bereich des § 67 EStG zugänglich zu machen (Doralt, EStG6, § 67 Tz 123). Indem diese Regelung aber gleichzeitig Grenzgängern Begünstigungen versagt, die anderen inländischen Arbeitnehmern offen stehen, entfaltet sie grundsätzlich in unzulässiger Weise Beschränkungswirkung. Insoweit sind die Ausführungen in der Berufungsentscheidung vom 4.6.2003, RV/0121-F/03, unzutreffend, nicht tragfähig, obsolet.
Damit erweist sich das Berufungsbegehren aber noch nicht als berechtigt. Denn es bleibt zu prüfen, ob und inwieweit allenfalls die Nichtanwendung von § 67 Abs. 3 und 4 EStG zu einer Diskriminierung führt. Oder allgemeiner und mit anderen Worten: Es stellt sich die Frage, ob inländische Arbeitnehmer vergleichbare Leistungen aus der zweiten Säule erhalten und wie solche Leistungen besteuert werden. Es ist also zunächst ein außersteuerlicher Situationsvergleich anzustellen, danach wird die Beachtung des steuerlichen Diskriminierungsgebotes zu beachten sein.
Situationsvergleich (Vergleich mit den in § 67 Abs. 3 und 4 EStG 1988 angeführten Bezügen)
In diesem Zusammenhang ist ein Rechtsvergleich sowie ein Rückblick auf die Rechtsentwicklung notwendig:
Das BVG (Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge vom 25. Juni 1982) ist als zweite Säule der positive Ausdruck des in der schweizerischen Bundesverfassung niedergelegten Drei-Säulen-Konzepts. Es regelt die berufliche Vorsorge und soll die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise ermöglichen, was allein durch die erste Säule (AHV, Alters- und Hinterlassenenversicherung) nicht gewährleistet wäre. Nach den BVG unterstehen alle bei der AHV versicherten Arbeitnehmer, die das 17. Lebensjahr vollendet haben und bei einem Arbeitgeber einen bestimmten Mindestlohn beziehen, der obligatorischen Versicherung. Andere Arbeitnehmer können sich freiwillig versichern lassen. Die obligatorische Versicherung betrifft einen nach oben und unten begrenzten Arbeitslohn. Im überobligatorischen Bereich sind Ergänzungen auf freiwilliger Basis zulässig. Die Finanzierung der Vorsorgeeinrichtung erfolgt durch Beiträge des Arbeitgebers und der Arbeitnehmer. Die Leistungen der Vorsorgeeinrichtungen im Fall von Alter oder Invalidität an die ehemaligen Arbeitnehmer und ihre Hinterbliebenen bestehen in der Regel in Form einer Rente (Runggaldier/Steindl, Handbuch zur betrieblichen Altersversorgung, 51 ff). In Sonderfällen – wie dem Berufungsfall – ist die Abfindung der Vorsorgeansprüche (bzw des Alterguthabens) auf Antrag nach Abgabe der Erklärung, die Schweiz endgültig zu verlassen, vorgesehen (zum Schweizer Vorsorgekonzept siehe auch die Berufungsentscheidung vom 4.6.2003, RV/0121-F/03, und dort angeführten Internetadressen).
Demgegenüber hat die betriebliche Altersversorgung in Österreich im Rahmen des gesamten Altersversorgungssystems eine verhältnismäßig geringe Bedeutung. Im Unterschied zur Schweiz erfolgen betriebliche Pensionszusagen freiwillig, gleichsam betriebsindividuell. Der Anteil der österreichischen Arbeitnehmer mit Betriebspensionszusagen im Vergleich zur Gesamtbeschäftigtenzahl im privaten Bereich wurde Ende der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts mit 12 % geschätzt. Die inhaltlichen Unterschiede zwischen den österreichischen betrieblichen Pensionssystemen sind erheblich (Runggaldier/Steindl, Handbuch zur betrieblichen Altersversorgung, 66, 72, 77), jene zwischen der zweiten Säule des schweizerischen Vorsorgemodells und der des österreichischen Systems sind – wie dargelegt wurde – grundlegender Art. Deshalb ist es äußerst zweifelhaft, ob überhaupt eine Situationsidentität vorliegen kann.
Der Bf vertritt im Vorlageantrag die Meinung, um die EU-rechtlichen Bestimmungen wirksam umzusetzen, sei auf den wirtschaftlichen Zweck der Regelung Rücksicht zu nehmen. Eine einmalige Pensionsabfindung sei wie eine Rente ein zweckmäßiges Mittel der Altersversorgung. Im konkreten Fall hätte die Ablösung der Tilgung der Eigenheimschulden gedient. So sei es ihm möglich im Ruhestand kostengünstig zu wohnen. Der Referent vermag den Standpunkt des Bw nicht zu teilen. Ihm ist im gegebenen Zusammenhang keine Bestimmung der österreichischen Rechtsordnung bekannt und der Bw hat auch keine benannt, die eine Abfindungszahlung auf die vom Bf dargestellte Art mit deren Verwendung zur Schuldentilgung verknüpft. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Bf seine Abfindung schlicht und einfach auf Antrag, ohne Verknüpfung mit einer bestimmten Verwendung erhielt, nachdem er die Erklärung abgegeben hat, die Schweiz endgültig zu verlassen. Der Bf zitiert im Übrigen selbst in seiner Stellungnahme vom 8.5.2006 das Erkenntnis des VwGH vom 26.6.2002, 2002/13/0003, in dem das Höchstgericht aussprach, dass die bloße Ähnlichkeit der wirtschaftlichen Auswirkungen mit einer teilweisen Pensionsablöse es nicht rechtfertige, den in § 67 Abs. 4 EStG normierten Tatbestand als verwirklicht anzusehen. Richtig ist, dass im Pensionskassengesetz die steuerneutrale Überbindung von Pensionsabfindungen an Pensionskassen vorgesehen ist (Doralt, EStG6, § 67 Tz 100). Eine solche Überbindung oder ein vergleichbarer Vorgang fand aber im Berufungsfall nicht statt (worauf noch zurückzukommen sein wird).
§ 67 Abs. 3 EStG definiert die Abfertigung (alt) als eine einmalige Entschädigung durch den Arbeitgeber, die an einen Arbeitnehmer bei Auflösung des Dienstverhältnisses auf Grund gesetzlicher Vorschriften, Dienstordnungen von Gebietskörperschaften, aufsichtsbehördlich genehmigter Dienst-(Besoldungs)ordnungen der Körperschaften des öffentlichen Rechts, eines Kollektivvertrages oder der für Bedienstete des Österreichischen Gewerkschaftsbundes geltenden Arbeitsordnungen zu leisten ist (Hofstätter/Reichel, Kommentar, § 67 Abs 3 bis 5 Tz 2). Während Firmenpensionen als Entgelt für erbrachte Leistungen zu verstehen sind, deren Bezahlung regelmäßig, aber nicht zwingend ab Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Erreichen des Pensionsalters (bzw der Arbeitsunfähigkeit) erfolgt und die der Sicherung des Ruhestandes dienen, hat die Abfertigung zwar auch den Charakter eines Entgelts für in der Vergangenheit geleistete Dienste, der Anspruch resultiert aber aus der zwingenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses schlechthin (Runggaldier/Steindl, Handbuch zur betrieblichen Altersversorgung, 299) und sie verfolgt weniger den Vorsorgegedanken, sondern dient dem (der Dauerrente) fremden Zweck einer Überbrückungshilfe (OGH 10.5.1995, 7 Ob 550/95; OGH 22.5.2002, 9 Ob A 178/01v) bis zur Erlangung eines neuen Arbeitsplatzes (OGH 14.7.1993, 7 Ob 550/93). Abfertigungen in diesem Sinne gibt es in der Schweiz nicht, sind jedenfalls dem Referenten nicht bekannt. Eine solche Abfertigung hat der Bf auch nicht bezogen. Ebenso wenig stellt die von ihm bezogene Einmalzahlung einen Bezug dar, der mit den in § 67 Abs. 3 EStG angeführten Bezügen vergleichbar ist. Würde nun aber die Einmalzahlung, bei der es sich unbestrittenermaßen um die Abfindung von Pensionsansprüchen handelt, gleich einer Abfertigung im oben dargelegten Sinne behandelt, läge eine unzulässige Gleichbehandlung verschiedener Sachverhalte vor, wodurch der Fall mit Auslandsbezug verglichen mit jenem ohne einen solchen, privilegiert besteuert würde.
Analoges gilt für den Vergleich der in Rege stehenden Pensionsabfindung mit der so genannten „Abfertigung neu“. Der Bf macht im ergänzenden Schriftsatz vom 8.5.2006 sinngemäß geltend, der Begriff der „Abfertigung“ habe sich gewandelt. Die Schweiz habe den Gedanken einer Altersvorsorge durch eine zweite Säule schon sehr viel früher als Österreich umgesetzt. Er werde als Dienstnehmer einer im Ergebnis sehr viel höheren Besteuerung unterworfen, als ein Dienstnehmer, der in Österreich einer Berufstätigkeit nachgeht und zu dessen Gunsten vom Dienstgeber in das System Abfertigung neu eingezahlt wird. In diesem Zusammenhang ist zu bedenken: Wie der Bf selbst zutreffend vorbrachte, ist das Freizügigkeitsabkommen mit 1.6.2002 in Kraft getreten (BGBl. III Nr. 133/2002). Das Gesetz über die betriebliche Mitarbeitervorsorge (BMVG, BGBl. I Nr. 100/2002 idF BGBl. I Nr. 155/2002), auch „Abfertigung neu“ genannt, trat aber erst am 1.7.2002 in Kraft und ist erst auf Arbeitsverhältnisse anzuwenden, deren vertraglich vereinbarter Beginn nach dem 31.12.2002 liegt, ein Zeitpunkt, zu dem das (pensionsbegründende) Arbeitsverhältnis des Bf bereits beendet war. Nach dem BMVG bleiben bereits bestehende Abfertigungsansprüche aufrecht, das bisherige Abfertigungsrecht gilt also für am 1.1.2003 bereits bestehende Dienstverhältnisse weiter. Nun darf aber das Diskriminierungsverbot nach Überzeugung des erkennenden Referenten nicht als Privilegierungsgebot bzw als Verpflichtung dergestalt gesehen werden, jemanden auf Grund eines qualifizierten ausländischen Anknüpfungsmerkmales gleich wie einen Ausländer, aber besser wie jeden Inländer zu behandeln. Indem aber der Bf sinngemäß die steuerliche Gleichbehandlung seiner am 6.1.2003 ausbezahlten, aus in den Jahren 1987 bis Juni 2002 geleisteten Beitragsleistungen resultierenden Pensionsabfindung mit einer Abfertigung aus der MV-Kasse begehrt, verlangt er etwas, worauf ein reiner Steuerinländer infolge der dargestellten Inkrafttretensregelungen schon aus formalrechtlichen Gründen niemals Anspruch hätte. Wie der Bf selbst in seiner Stellungnahme vom 8.5.2006 zutreffend vorbrachte, hat die Schweiz den Gedanken einer Altersvorsorge durch eine zweite Säule sehr viel früher umgesetzt, als dies in Österreich der Fall war. An dieser sehr viel frühen Umsetzung in der Schweiz hat der Bf durch Erwerb entsprechender Ansprüche teilgenommen. Wenn sich nun der Bf auf Antrag diese Ansprüche in bar abfinden lässt, kann er hiefür aus dem Diskriminierungsverbot aber kein Recht ableiten, auf eine Art steuerlich behandelt zu werden, wie sie das Gesetz keinem rein inländischen Steuerpflichtigen zuteil werden lässt. So wie im Verhältnis zu Liechtenstein aus der im EWR-Abkommen paktierten Freizügigkeit kein Recht der auspendelnden Grenzgänger auf Anwendung der liechtensteinischen Steuersätze abgeleitet werden kann (vgl. VwGH 3.8.2000, 98/15/2002; RdW 2000/535; SWI 1/2001, 47), so vermag nach Überzeugung des erkennenden Referenten im Verhältnis zur Schweiz das im FZA vorgesehene Diskriminierungsverbot nicht zu bewirken, dass der Wirksamkeitszeitpunkt einer steuerlichen Begünstigungsvorschrift allein für in der Schweiz erworbene Ansprüche aus der zweiten Säule zurückverlegt wird.
Hinzu kommt, dass die vom Bf bezogene Pensionsabfindung auch inhaltlich nicht mit einer Abfertigung aus der MV-Kasse verglichen werden kann. Hinsichtlich der in der Schweiz eingerichteten beruflichen bzw betrieblichen Altersvorsorge wird auf die Berufungsentscheidung vom 4.6.2003, RV/0121-F/03, verwiesen. Bezüglich der Ausformung der „Abfertigung neu“ wird auf einschlägige Beiträge in der Literatur (Hofstätter/Reichel, Kommentar, § 67 Abs 1 und 2 Tz 14.3; Beiser, SWK 33/2002, T 201, Binder/Schifko, SWK 31/2002, S 127, Pössinger, SWK 20/21/2004, W 059, Binder/Schifko, SWK 18/2002, T 91; Bruckner, ÖStZ 2002, 788) verwiesen. Abgesehen davon, dass die beiden Vorsorgemodelle zu unterschiedlichen Zeitpunkten, in unterschiedlichen Formen und unterschiedlicher Intensität wirksam wurden und daher bereits aus diesem Grunde in arbeits- und steuerrechtlicher Hinsicht nicht vergleichbar sind, ergibt ein kursorischer Vergleich folgende weiteren Unterschiede:
Die „Abfertigung neu“ baut auf dem System „Abfertigung alt“ auf und hängt insofern (jedenfalls in den Übergangsregelungen) mit dem in § 67 Abs. 3 EStG definierten Begriff zusammen, wonach unter einer Abfertigung die einmalige Entschädigung durch den Arbeitgeber zu verstehen ist, die an einen Arbeitnehmer bei Auflösung des Dienstverhältnisses auf Grund bestimmter Regelungen zu leisten ist.
Die bisherigen Abfertigungsansprüche bleiben grundsätzlich aufrecht (SWK 33/2002, T 201). Treffen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht einvernehmlich anderweitige Verfügungen und werden Abfertigungsansprüche nach dem alten System vom Arbeitgeber ausbezahlt, dann gelten die bisherigen Regelungen des § 67 Abs. 3 EStG weiter (Fellner in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar, Tz 14.3 zu § 67 Abs. 3 bis 5).
Abfertigungsansprüche alt sind idR höher als Abfertigungsansprüche neu. Ansprüche aus der MV-Kasse sind gegenüber den Ansprüchen aus der zweiten Säule erheblich niedriger.
Die zweite schweizerische Vorsorgesäule dient (nahezu ausschließlich) der Altersvorsorge, die österreichische Abfertigung neu nähert sich dem Schweizer Modell, trägt aber im Unterschied dazu immer noch deutlich Züge der Abfertigung alt mit dem Überbrückungshilfecharakter.
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