Die beliebte Auswandererdestination Spanien kann durchaus als Hochsteuerland bezeichnet werden. Belastungen auf Einkommen, Vermögen und Erbschaften sowie Schenkungen können erheblich ausfallen, wenn auch mit bemerkenswerten regionalen Unterschieden, da die 17 autonomen Gemeinschaften (Andalusien, Aragon, Asturien, Balearen, Kanaren, Kantabrien, Kastilien und León, Kastilien-La Mancha, Katalonien, Gemeinschaft Madrid, Gemeinschaft Valencia, Extremadura, Galizien, Navarra, Baskenland, La Rioja, Region Murcia) für etliche Steuerarten die Befugnis haben, eigene Freibeträge, Steuersätze und Abzugsmöglichkeiten zu definieren.
Die gewichtigste Steuer ist die Einkommensteuer IPRF (Impuesto sobre la Renta de las Personas Fisicas). Augenfällig sind dabei steil ansteigende Steuersätze, die auf Einkommen (mitunter aus Erwerb, Renten, Vermietung und Verpachtung, etc.) erhoben werden. Im Internet sind häufig Tabellen mit den progressiven Steuersätzen 19%, 24%. 30%, 37%, 45% und 47% ersichtlich. Es handelt sich hierbei aber um Lohn- bzw. Quellensteuersätze, die für Einwanderer wirklich wirksamen Steuersätze resultieren aus „tramos de tipo estatal“ (staatlicher Anteil 2024: Steuerbares Einkommen 0-12‘450 €: 9,5%; 12‘450-20‘200 €: 12%; 20‘200-35‘200 €: 15%, 35‘200-60‘000 €: 18,5%; 60‘000-300‘000 €: 22,5%; ab 300‘000: 24,5%) und zusätzlich aus „tramos de tipo autonomico“, die von 15 der 17 Gemeinschaften eigenständig fixiert werden (Navarra und das Baskenland applizieren als Ausnahme vollständig eigene Besteuerungsansätze) und so, verknüpft mit den ebenfalls autonom festgelegten Freistellungen und Abzügen, zu den erwähnten regionalen Belastungsunterschieden führen. Die Belastungsabweichungen fallen bei der Einkommenssteuer indes weniger ausgeprägt als bei Taxation von Vermögen und Erbschaften, wo markante territoriale Differenzen festzustellen sind. Charakteristisch sind überdies die häufigen, zuweilen auch sehr kurzfristig verabschiedeten Änderungen der steuerlichen Rahmenbedingungen, die insbesondere von den jeweiligen politischen Kolorierungen der Gemeinschaftsregierungen abhängen. Orientierung bietet dabei bezüglich der Einkommens- und Vermögenssteuern eine jährlich von der Agencia Tributaria publizierte Wegleitung („Manual practico“), die alle relevanten Informationen enthält. Ganz praktisch ist diese Schrift nicht, umfasst Sie doch aktuell im pdf-Format 1‘670 Seiten (11‘333 KB)! Nichtsdestotrotz: Zuzugswillige sind gut beraten, sich im Vorfeld der Einwanderung die wichtigsten Determinanten ihrer kommenden Steuerbelastungen zu vergegenwärtigen.
Hierzu gehört speziell im Zuzugsjahr auch die Feststellung der steuerlichen Ansässigkeit (residencia fiscal), welche in der Regel eine Besteuerung nach dem Welteinkommens- und Weltvermögensprinzip begründet. Für den spanischen Fiskus gilt eine natürliche Person immer dann als ansässig, wenn diese sich während eines Kalenderjahres (ohne Berücksichtigung von gelegentlichen Abwesenheiten) länger als 183 Tage im Land aufhält. Die Ansässigkeit wird indes auch dann als gegeben angenommen, wenn der Hauptkern der persönlichen Aktivitäten oder der wirtschaftlichen Interessen in Spanien bestritten wird. Ebenso wird die Ansässigkeit (bis zum Beweis des Gegenteils) eines im Ausland wohnhaften Verheirateten vermutet, wenn der nicht gerichtlich getrennte Ehepartner sowie die von ihm abhängigen minderjährigen Kinder ihren gewöhnlichen Wohnsitz in Spanien haben.
Schliesslich ist auch der Fall zu erwähnen, dass eine Person gleichzeitig zur spanischen Steuerresidenz auch in einem anderen Land (z.B. der Schweiz) ansässig gilt. In diesem Falle regeln die spanischen Doppelbesteuerungsabkommen (sofern vorhanden) die Ansässigkeit und somit die unbeschränkte Steuerpflicht, wobei als Kriterien das Vorhandensein von ständigen Wohnstätten, subsidiär der Lebensmittelpunkt, ferner der gewöhnliche Aufenthalt und in einer weiteren Patt-Situation die Nationalität des Steuerpflichtigen ausschlaggebend sind (siehe z.B. Artikel 4 des Doppelbesteuerungsabkommens Spanien-Schweiz).
Diese Determinanten der subjektiven Steuerpflicht sind immer individuell zu betrachten, gilt doch in Spanien für Verheiratete und Familien grundsätzlich die Individualbesteuerung (auch wenn bei Ehepaaren in Spezialfällen eine gemeinsame Deklaration möglich ist). Auch die einschlägigen Ansässigkeitsbestimmungen der Doppelbesteuerungsabkommen richten sich auf eine Person.
Besonders bemerkenswert ist die spanische Besonderheit, dass die steuerliche Ansässigkeit bzw. Nichtansässigkeit für ein gesamtes Kalenderjahr gilt. Eine Person ist also für das gesamte Steuerjahr in Spanien unbeschränkt steuerpflichtig, oder eben nicht. Das Fehlen eines „split-year-treatments“ birgt manche gewichtige Steuerfallen, aber eventuell auch Chancen, die im Einzelfall unbedingt zu überprüfen sind. Dem Wegzugstiming kann also bei einer Auswanderung nach Spanien eine spezielle Bedeutung zukommen.