Beim Tod des Inhabers eines helvetischen Kontos friert die Schweizer Bank in aller Regel die Vermögensbestände des Klienten ein, sobald sie von dessen Hinschied erfahren hat. Dies gilt selbst dann, wenn es sich um ein mit anderen Personen gehaltenes Kollektivkonto handelt oder wenn der Verstorbene zu Lebzeiten eine Vollmacht über den Tod hinaus erteilt hat. Dabei nimmt die Bank gesteigerte Treue- und Sorgfaltspflichten wahr, um allfällige Schadensersatzansprüche infolge fahrlässiger Auszahlung an Nichtberechtigte zu vermeiden. Sie wartet ab, bis die Erben des Verstorbenen Ansprüche, z.B. via Erbschein, legitimieren können. Allerdings lässt sich diese obligate Kontosperrung durch die Errichtung eines ein sog. compte-joint vermeiden.
Dieses Gemeinschaftskonto, auch „Und/Oder“-Konto genannt, basiert auf einer Solidaritätsvereinbarung, welche zwei oder mehr Personen abschliessen. Die compte-joint-Vereinbarung, welche auch Depots sowie Safes umfassen kann, hat zur Folge, dass jeder Mitinhaber alleine und unbeschränkt über die hinterlegten Vermögenswerte verfügungsberechtigt ist. So können alle Kontoinhaber selbsttätig z.B. Geld abheben, Guthaben verpfänden, weitere auf die entsprechende Kundennummer lautende Konti oder Depots eröffnen, die Gesamtbeziehung saldieren oder Vollmachten erteilen.
Die Kunden haften der Bank gegenüber als Solidarschuldner gemäss Art. 143 ff. des schweizerischen Obligationenrechts für sämtliche Ansprüche der Bank, auch dann, wenn diese Ansprüche aufgrund von Weisungen oder Verpflichtungen eines einzelnen entstanden sind. Beim Ableben oder bei der Handlungsunfähigkeit eines Kontoinhabers geht das Verfügungsrecht unmittelbar und ausschliesslich auf den Mitinhaber über, dies auch unter Ausschluss der Erben. Die Vermögenswerte werden also nicht gesperrt, der überlebende Kontoinhaber kann darüber walten wie er wünscht. Über die sog. Erbenausschlussklausel der compte-joint-Vereinbarung debattieren Rechtsgelehrte emsig zur grundsätzlichen Zulässigkeit. Aspekte des Vertragsrechts dabei werden unter erbrechtlichen Determinanten beleuchtet.
Wir bleiben hier bei der Praxissicht und stellen fest, dass die Erbenausschlussklausel prinzipiell nicht dazu dienen kann, erbrechtliche Ansprüche umzustossen, was auch verschiedentlich gerichtlich bestätigt wurde. Compte-joint-Vereinbarungen enthalten regelmässig den Passus, dass die Abrede ausschliesslich die Rechtsbeziehung zwischen der Bank und den Kunden regelt, dies ungeachtet der internen Verhältnisse der Eigentumsrechte, der Kunden und ihrer Rechtsnachfolger. Denn (zumindest Pflichtteil-)Erben geniessen grundsätzlich ex Erbrecht ein bankgerichtetes Auskunftsrecht für alle Transaktionen bis zehn Jahre vor dem Ableben des Erblassers, dies etwa zum Nachweis von Pflichtteilverletzungen.
In Einzelsituationen, etwa wenn der Verstorbene der Bank gegenüber Geheimhaltungsinteressen mit Wirkung auf Erben durch geeignete Aktionen kundtat, kann diese erbrechtliche Überprüfung nicht direkt, sondern unter Wahrung der Diskretion auch treuhänderisch durch neutrale Dritte erfolgen. Mit einem compte-joint lässt sich also das Erbrecht nicht ausschalten, aber durchaus die konkrete Anspruchsdurchsetzung der Erben erschweren. Dies weil z.B. Konto- und Depotbestände vom Mitinhaber saldiert und anderswo disponiert werden können. Für die Erben ist die Bank lediglich noch Ansprechpartnerin zur Durchsetzung ihrer Informationsansprüche. Kontrahent wird der überlebende Kontoinhaber.
Wer überhaupt hält „Und/Oder“-Konti? Am häufigsten sind dies Ehepartner, welche die Vereinbarung getroffen haben, um die sofortige Verfügbarkeit der Vermögenswerte für den Überlebenden zu sichern. So empfehlen Banken diese Konti speziell Personen, die nur eine Bankverbindung pflegen und bei denen die Erbverhältnisse überschaubar sind. Voraussetzung hierzu ist auch lebzeitiges Vertrauen, da ja jeder Kontomitinhaber über die Vermögensbestände frei verfügen kann. In der Praxis werden via compte-joint häufig auch steuerneutralisierte Vermögen diskret und direkt übertragen, z.B. vorbei an Erben und Erbschaftssteuern, ohne Erbschein.
Aus Auswanderer- oder Auslandschweizersicht können compte-joint-Vereinbarungen über in der Schweiz verwahrtes Bankvermögen, z.B. über einen Teil davon, durchaus indiziert sein. Denn je nach Wohnsitzland kann die korrekte Legitimation der Erben zeitaufwendig und mühselig sein. Auch können Streitigkeiten unter Erben die Durchsetzung von berechtigten Ansprüchen erschweren. So könnten für Ausgewanderte unter Umständen, etwa wenn das Gros des Bankvermögens in der Schweiz geblieben ist, unerwünschte Liquiditätsengpässe entstehen. Der Einsatz von „Und/Oder“-Konti muss indes gut überlegt sein und sowohl in die Erbschaftsplanung wie auch in die auswanderungsbezogene Vermögensdisposition adäquat eingebettet sein. EMIGRATION NOW kann hier schon anlässlich der Orientierungsgespräche entscheidungsrelevante Impulse liefern.
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