Der Bundesfinanzhof, Deutschlands oberstes Gericht im Steuerangelegenheiten, hat anfangs Juli eine Entscheidung gefällt, die für Tausende in Deutschland steuerlich ansässige Bezieher von privatrechtlichen Renten aus der schweizerischen beruflichen Vorsorge eine weitere Reduktion der Steuerbürden auf die ohnehin schon gnädig belasteten BVG-Renten bedeuten könnte. Im BFH Urteil vom 01.07.2021 – VIII R 4/18 wurde nun folgende Fragestellung geklärt: Hat eine einheitliche steuerrechtliche Zuordnung von monatlichen Rentenbezügen aus einem begünstigen Versicherungsvertrag (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. cc EStG a.F.) zu den sonstigen Einkünften gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG a.F. und damit eine Besteuerung des Ertragsanteils mit tariflicher Einkommensteuer zu erfolgen oder sind die monatlichen Rentenzahlungen insgesamt den Einkünften aus Kapitalvermögen zuzuordnen und unterfallen der Steuerfreistellung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a.F.? Der BFH befand hierbei, dass Rentenzahlungen, die auf einem begünstigten Versicherungsvertrag beruhen, insgesamt den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG 2004 zuzuordnen seien und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 steuerfrei, soweit die Summe der ausgezahlten Rentenbeträge das in der Ansparzeit angesammelte Kapitalguthaben einschliesslich der Überschussanteile nicht übersteigt.
Leistungen aus dem schweizerischen BVG-Überobligatorium werden seit 2016 steuerlich analog zu den begünstigten Versicherungsverträgen deutscher Lesart behandelt (s. hier). Aktuell werden daher auf dem Überobligatorium beruhende BVG-Leibrenten nach § 22 Nummer 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb EStG mit dem maßgebenden Ertragsanteil angesetzt. Zum Beispiel hat demnach eine Person mit bei Rentenbeginn vollendetem 65sten Lebensjahr nur 18% der überobligatorischen BVG-Rente in die steuerliche Bemessungsgrundlage zu legen, 82% bleiben steuerfrei (eine Tabelle mit den massgeblichen Ertragsanteilen für alle Altersklassen kann über info@auswanderung.ch abgerufen werden). Das oben erwähnte Urteil könnte nunmehr gar eine Steuerfreiheit auf den überobligatorischen Anteilen von BVG-Renten schweizerischer Provenienz bedeuten. Ein Konditional ist indes vorläufig angebracht, denn nach deutscher Rechtspraxis müssen BFH-Entscheide nicht zwingend und umgehend von der Finanzverwaltung und den Finanzämtern übernommen werden (s. Hinweise dazu). Affaire à suivre.
Zur Thematik: Beitrag „Auswanderung Deutschland, Umgang mit AHV- und BVG-Mitteln“