Der seit der Corona-Krise vielerorts akzentuierte Trend zur Erwerbstätigkeit im Homeoffice entfaltet sich nicht nur als nationale Erscheinung, sondern ist auch im internationalen Kontext feststellbar. Die zunehmende Akzeptanz von hybridisierten Arbeitsformen, die Digitalisierungsfortschritte und zuweilen auch staatliche ad-hoc-Anreizsetzungen (z.B. Steuervergünstigungen, erleichterte Arbeitsbewilligungen) nähren Lebensgestaltungen mit grenzüberschreitend mobil-flexiblen Erwerben zusehends. Auch in der Schweiz ist das Arbeiten für national nicht ansässige Unternehmen zunehmend populär. Solche Arbeitskräfte laufen unter dem exotischen Kürzel ANobAG, das aus dem (sozialversicherungsrechtlichen) Begriff «Arbeitnehmer ohne beitragspflichtigen Arbeitgeber in der Schweiz» entstammt. ANobAG-Arbeitsgestaltungen finden speziell bei Arbeitnehmern aus den benachbarten Ländern Gefallen. Bei deutschen Zuwanderern waren unseren Beobachtungen nach z.B. die in etlichen Kantonen günstigeren Besteuerungen, die Teilnahme am schweizerischen System der sozialen Sicherung oder der schlichte Wunsch, die angestammte Arbeit im Rahmen einer privaten Wohnsitzverlegung weiterzuführen, als Motive für die Heimarbeit festzustellen.
Bei einer unselbständigen Erwerbstätigkeit für ein ausländisches Unternehmen ohne Präsenz (z.B. Tochtergesellschaft, Niederlassung, Betriebstätte) in der Schweiz sind insbesondere zu beachten:
■ Ausländerrecht: Bei Aufenthaltsbewilligungen für Ausländer ist zwischen den Normen des helvetischen Ausländerrechts und den sich aus dem Personenfreizügigkeitsabkommen EU/EFT-CH (FZA) ergebenden Regelungen zu differenzieren. Eine Arbeit im Subordinationsverhältnis für einen (auch ausländischen) Arbeitgeber würde die Zusicherung einer Aufenthaltsgenehmigung zur Erwerbstätigkeit suggerieren. Doch dies ist gemäss Freizügigkeitsabkommen nur gegeben, wenn der Erwerb für einen Arbeitgeber des Aufnahmestaates ausgeübt wird. Entsprechend werden Home-Office-Tätige ohne CH-Arbeitgeber ausländerrechtlich nicht als Arbeitnehmer eingestuft. Zur Wohnsitznahme haben sie daher eine Aufenthaltsbewilligung als Nichterwerbstätige zu beantragen. Diese wird erteilt, falls die Antragsteller ausreichende finanzielle Mittel (in der Höhe, dass sie keine Sozialhilfe beantragen könnten) und einen Krankenversicherungsschutz nachweisen. Überdies muss aufgezeigt werden, dass die Tätigkeit für das Auslandsunternehmen keinen Bezug zur hiesigen Wirtschaft (z.B. Kundenkontakte in der Schweiz) aufweist. Das zu generierende Arbeitseinkommen wird an die Berechnung der genügenden finanziellen Mittel bei der Zulassung als Nichterwerbstätige berücksichtigt (tiefere Löhne, z.B. unter 2‘500 €, qualifizieren alleine, d.h. ohne weitere Einkommen oder Vermögen, nicht zum Nichterwerbstätigen-Aufenthaltstitel). Anders verhält es sich für Drittstaatsangehörige, die auch für Home-Office-Arbeiten zwingend eine Arbeitsbewilligung beantragen müssen. Diese werden im Rahmen von Kontingenten nur Führungskräften, Spezialisten und Hochqualifizierten, deren Zulassung den gesamtwirtschaftlichen Interessen der Schweiz dienen, erteilt. Überdies müssen den Inländervorrang sowie orts-, berufs- und branchenüblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen respektiert werden. Aus diesen Voraussetzungen erklärt es sich, dass bislang Drittstaatsangehörigen keine Arbeitsgenehmigungen für unselbständige Erwerbe zugunsten nicht präsenter Auslandsunternehmen erteilt wurden. Eine solche Tätigkeit ist aber auch ausländerrechtlich möglich, falls der Drittstaatsangehörige einen anderweitig erworbenen Aufenthaltstitel (z.B. Niederlassungsbewilligung aufgrund früherer Tätigkeit für CH-Arbeitgeber, Genehmigungen infolge Heirat mit Schweizern oder ansässigen EU/EFTA-Staatsbürgern) besitzt. Die Schweiz ist also generell kein Land für Digitale Nomaden, die nicht aus dem EU/EFTA-Raum stammen.
■ Sozialversicherungsrecht: ANobAGs sind in der Schweiz grundsätzlich sozialversicherungspflichtig und haben ihre Beiträge (11,5% für Rentenversicherung (AHV), Invaliditätsversicherung (IV), Erwerbsersatzordnung (EO) und Arbeitslosenversicherung (ALV), evtl. zuzüglich Beiträge an die berufliche Vorsorge BVG) selbsttätig abzurechnen. Dies gilt aber nur bedingt, wenn der Arbeitgeber aus EU/EFTA-Gefilde stammt und der Arbeitnehmer eine EU/EFTA/CH-Nationalität hält. Arbeitgebende aus dem EU/EFTA-Raum gelten auch ohne jegliche Schweizer Präsenz prinzipiell als beitrags- und abrechnungspflichtig, sofern ihre Angestellten nach den Regeln der europäischen Sozialversicherungsunterstellung in der Schweiz zu versichern sind. Die EU/EFTA-Beschäftigungsgeber haben sich bei der kantonalen Ausgleichskasse am Wohn- oder Tätigkeitsort des Angestellten als Arbeitgeber anzumelden und die vollen Sozialversicherungsbeiträge, inklusive der Zahlungen nach Unfallversicherungsgesetz (UVG) und zumindest des Obligatoriums in der Beruflichen Vorsorge (BVG), zu entrichten. Als Alternative können diese EU/EFTA-Unternehmen aber mit dem Arbeitnehmer vereinbaren, dass dieser die Pflichten des Arbeitgebers zur Zahlung der Beiträge wahrnimmt. Voraussetzung dazu ist es, dass der Mitarbeiter kein Drittstaatsangehöriger ist. Wird dieser Weg eingeschlagen, dann gilt der Arbeitnehmer doch als ANobAG. Basierend auf Art. 21 Abs. 2 VO EG Nr. 987/09 müssen die Parteien eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnen und diese gemeinsam mit einem ANobAG-Antrag und dem Arbeitsvertrag der zuständigen kantonalen Sozialversicherungsbehörden zur Genehmigung präsentieren. Die Mustervereinbarung und die entsprechenden Fragebogen sind im Internet leicht auffindbar. Bei einer ANobAG-Qualifikation haben die Arbeitgeber dem Arbeitgeber zusätzlich zum Gehalt ihre Arbeitgeberanteile auszuzahlen. Die ausgestellten Lohnbescheinigungen dienen dann den Ausgleichskassen als Basis für die Beitragsfestsetzung. Auch hier sind neben den AHV/IV/EU/ALV-Abgaben eine Unfallversicherung und eine Pensionskassenlösung nach BVG zwingend. Für ANobAGs ohne Artikel-21-Vereinbarung ist die Berufliche Vorsorge hingegen freiwillig und kann nur via Stiftung Auffangeinrichtung erlangt werden. Letztere ist eine Zürcher Non-Profit-Organisation, die im Auftrag des Bundes anschlusswillige Arbeitgeber und Einzelpersonen, die anderswo (z.B. bei privaten Sammelstiftungen) keine Deckung finden, in der beruflichen Vorsorge grundversichert, sofern die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
■ Besteuerung: ANobAGs versteuern ihre Arbeitseinkommen stets im ordentlichen Verfahren via jährliche Steuererklärung. Dies gibt selbst für Ausländer, die aufgrund ihres Aufenthaltstitels (z.B. B- oder L-Bewilligung) grundsätzlich quellensteuerpflichtig wären. Die Lohnsteuer kann nicht erhoben werden, da kein Schuldner der steuerbaren Leistung auf helvetischem Boden greifbar ist. Schließlich ist bei jeder Arbeitsbeziehung zu prüfen, ob diese steuerlich nicht eine Betriebsstätte begründet. Falls eine solche entstünde, dann würde dies für die Auslandsunternehmung schweizerische Körperschaftspflicht und für den ausländischen Mitarbeiter ohne Niederlassungsbewilligung Quellensteuerpflicht (Ausnahme: Mit CH-Bürgern verheiratete Ausländer werden immer via Steuererklärung erfasst) bedeuten.